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Ratgeber-Bücher der 50er Jahre

Text: Jörg Bohn / VG WORT Wissenschaft - Erstveröffentlichung im Sammlermagazin "TRÖDLER Kompakt", Heft 11/05

Guter Rat ist teuer, besagt ein altbekanntes Sprichwort - nicht so jedoch in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. In der Zeit des aufkeimenden Wirtschaftswunders schossen die Ratgeber in Buchform wie Pilze aus dem Boden und versprachen Hilfestellung in jeder nur erdenklichen Situation. Ob Regeln für die formvollendete Einladung zur Cocktailparty oder Hinweise zum richtigen Umgang mit neuesten Errungenschaften auf dem Gebiet der Technik wie Fernsehempfängern und Musiktruhen, kaum ein Bereich des täglichen Lebens blieb ausgespart. Heutzutage erschließen die Vertreter dieses Genres dem Betrachter auf höchst anschauliche und unterhaltsame Art und Weise die Entwicklung vom Mangel der Nachkriegszeit bis hin zum Überfluss der Wirtschaftswunder-Ära.

 Zunächst einmal fällt auf, daß sich die Mehrheit der Ratgeber-Bücher offensichtlich an eine überwiegend weibliche Zielgruppe richtet. Denn obwohl bis dahin viele Frauen ganz alleine ihre Kinder und Angehörigen versorgt und auch schwerste körperliche Arbeiten bewältigt hatten, da eine hohe Zahl von Männern im Krieg gefallen war oder sich noch in Gefangenschaft befand, hält Anfang der 50er Jahre mit zunehmender Normalisierung des Alltagslebens auch wieder das traditionelle Familienbild Einzug in die deutschen Wohnungen. Der Mann "geht arbeiten und bringt das Geld nach Hause", während die Frau die Verantwortung für den Haushalt und gegebenenfalls die Erziehung der Kinder übernimmt. Noch 1954 ist, laut einer Umfrage des Allensbacher Demoskopischen Instituts, nicht nur eine Mehrheit der männlichen, sondern ebenso der weiblichen Bevölkerung der Ansicht, daß Männer und Frauen keine gleichen Rechte und Pflichten in der Ehe haben sollten und es nicht zu den Aufgaben des Mannes gehöre, im Haushalt mitzuhelfen. Für die Aufnahme einer Arbeit benötigt die Frau das Einverständnis ihres Gatten und ist nur dann "berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit das mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist".

So bleibt ihr denn vor allem die Aufgabe, das nötige Umfeld für das Wohlbefinden des Mannes zu schaffen, sei es in Form eines gemütliches Heims, durch ein gepflegtes Äußeres oder ansprechende Kochkünste. Für diesen Zweck stellen ihr Buch- und Zeitschriftenverlage eine Vielzahl von Ratgebern zur Seite, die darüber hinaus auch die Chancen lediger Frauen verbessern sollen, einen Mann zur Heirat zu bewegen."Ein Schmierseifenbad bekommt der Haut ausgezeichnet. Rühren sie mit einem groben Holzlöffel ein Pfund Schmierseife zu Schaum und bleiben sie eine Viertelstunde lang im Wasser", empfielt Lilo Aureden in ihren Ratgeber "Schön sein-schön bleiben". Und wer eine in Olga Golbaeks "Schönheitfibel für junge Mädchen empfohlene Mixtur gegen trockenes Haar ausprobieren möchte, sollte zuvor den Metzger seines Vertrauens aufsuchen: "Man läßt das Mark eines Ochsenknochens im Wasserbad schmelzen, bis es flüssig wird. Von diesem Fett mischt man 2 Teelöffelvoll mit 2 Eiern und 1 Eßlöffelvoll Rum, rührt gut um und reibt die Flüssigkeit in die Haare." Lange und dunkle Wimpern schließlich "erhält man, wenn man sie jeden Abend mit Rizinusöl bürstet"...

 

 

                       


 


Die Gründung einer Familie ist das anzustrebende Ideal, alleinstehend zu sein gilt in dieser Zeit als gesellschaftliches Makel und hat eine Reihe weiterer Nachteile, wie etwa Benachteiligungen bei der Wohnungssuche, zur Folge. Zudem haftet Junggesellinen recht schnell der Ruf einer "alten Jungfer" an und auch bei Einladungen werden Paare in der Regel bevorzugt. Dem Alleinsein Abhilfe zu schaffen versucht beispielsweise "Das goldene Buch der Frau", indem es eine regelrechte Selbstaufgabe als "gottgegeben" darzustellen versucht: "Jede Frau, die mit gesundem Sinn in dieses Leben gestellt wurde, spürt sehr bald die große Wesensverschiedenheit im Manne...Und wenn sie sich ruhig und natürlich entwickeln darf, nicht in falsche Lebensströmungen gerät oder durch das Schicksal aus der Bahn geworfen wird, dann muß ihr das naturgegebene Rüstzeug ihrer Gaben dazu verhelfen, dem Manne eine gute Gefährtin zu sein und selbst dabei glücklich zu werden, wie immer sich ihr Weg auch gestaltet". Für den Fall, daß das "naturgegebene Rüstzeug" einmal nicht ausreicht, gibt es eine Unmenge von Ratschlägen, wie frau ihre äußeres Erscheinungsbild und damit die Chancen, unter die Haube zu kommen, verbessern kann.

Doch trotz unzähliger Tipps zur Verbesserung des Aussehens weiß man auch im Jahre 1955: "Die äußere Schönheit allein ist es nicht!" Durch ein sympathisches Wesen, "Charme, der auch des Mannes Freunden und Familie gefällt und die Fähigkeit, "humorvoll seine kleinen Fehler und Schwächen zu übersehen und nicht rechthaberisch zu sein", läßt sich so mancher optische Mangel kompensieren.

Bloß eines darf SIE auf keinen Fall sein: allzu klug oder gar bestrebt, selber beruflich Karriere machen zu wollen. Warum dies so ist, erklärt dem interessierten Leser "ein Frauenarzt, der seit vielen Jahren heiraten möchte und trotzdem Junggeselle geblieben ist": "Ich verehre die Frauen - aber ich verstehe sie nicht mehr...Auf der einen Seite erscheint ihnen die absolute Gleichberechtigung als erstrebenswertes Ziel, auf der anderen Seite sehnen sie sich nach der Geborgenheit in starken männlichen Armen...

Wenn diese Frauen wirklich so klug sind, dann müßten sie doch erkennen, daß alle Männer nur eine Frau begehrenswert finden: die Kameradin, die selbstlose Liebe schenkt." Im Idealfall ist dieses weibliche Wesen natürlich auch Mutter. "Es ist die Mütterlichkeit, die jeder Frau innewohnt, die ihre Gefühle lenkt und ihre ganze Persönlichkeit bestimmt. Jede, auch die kinderlos gebliebene Frau strahlt jene geistige Mütterlichkeit aus, die sie so anziehend und liebeswert macht." "Während der Mann im Berufsleben seine volle Erfüllung finden kann, sehnt sich die Frau nach mehr. Denn ein Kind ist das Lebenswerk einer Frau, wie es für den berufenen Künstler seine Schöpfungen sind".

Große Befriedigung birgt auch die Instandhaltung und Pflege der Garderobe, verspricht "das Hausbuch der deutschen Familie", herausgegeben vom Bundesverband der Standesbeamten und jedem heiratswilligen Paar als "Merkblatt für Eheschließende" überreicht. "Alles, was mit Wäsche und Kleidung zusammenhängt, ist Sache der Frau. Es ist wohl mit sehr viel Mühe und körperlicher Arbeit verbunden, aber auch eine Aufgabe, die große Erfüllung bringen kann, weil sie Freude schafft, die der ganzen Familie zugute kommt." Ergänzend sei hinzugefügt, daß zu Beginn der 50er Jahre der Kauf einer elektrischen Waschmaschine ein Luxus war, den sich nur wenige leisten konnten, sodaß folglich auch die Planung eines Waschtages ausführliches Ratgeber-Thema ist und Aufschluß über den damaligen Hausfrauen-Alltag gibt: Bereits 24 Stunden vor der eigentlichen "großen Wäsche" sind die Stücke in Lauge einzuweichen, um den Schmutz zu lösen. Anschließend muß ein Waschkessel auf 90 Grad erhitzt, die Wäsche "mit einem großen Holzlöffel immer wieder umgerührt und ständig in Bewegung gehalten werden. Die Hauptarbeit kommt aber erst beim Spülen, wenn durch eine Anzahl weiterer Handwaschgänge der gelöste Schmutz gänzlich aus dem Gewebe entfernt wird."

So weiß die aufmerksame Ratgeber-Leserin also nun, daß ihr Platz in Kinderzimmer und Küche ist und hat keine Probleme, den Test "Bin ich eine gute Ehefrau" im "Goldenen Buch der Frau" erfolgreich zu bestehen: "Wenn Freunde und Mitarbeiter des Mannes auf Besuch sind, soll SIE nicht die ganze Zeit über im gleichen Raum oder womöglich noch am gleichen Tisch sitzen. Solch ein Verhalten würde nur Mißstimmung schaffen: die Männer wären gestört, weil sie vielleicht ein fachtechnisches Thema behandeln wollen, wobei sie Einwände der Frau nicht sehr schätzen würden...so zieht sich die Dame des Hauses im gegebenen Moment zurück und wird nach einiger Zeit wieder erscheinen, um Brötchen, Bäckereien, Likör oder Rauchwaren zu ergänzen, beziehungsweise leere Platten abzuservieren."

Bleibt zu hoffen, daß sie bei der Zubereitung der Leckereien korrekt gekleidet ist, denn "eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hat das Hauskleid für die Hausfrau. Es ist ihre Berufskleidung und die Machart muß volle Bewegungsfreiheit garantieren. Eine wichtige Ergänzung sind Schürzen, die in immer neuen Formen herausgebracht werden. Ein buntes Kopftuch sollte zur Ergänzung bereit sein...es ist also gar nicht so schwer, auch bei gröberer Hausarbeit immer nett auszusehen."

Gebietet der Anlaß jedoch die Anwesenheit der Hausfrau in einer geselligen Runde, dann "sei sie hübsch und gefällig anzuschauen, schon um den eingeladenen männlichen Gästen eine Freude zu bereiten, aber immer um ein weniges einfacher, als die eingeladenen Damen."

Hat die Gastgeberin die ihr angestammten Aufgaben zur Zufriedenheit erledigt, wird auch der Ehemann in die Pflicht genommen. Ihm obliegt die Unterhaltung der Gäste, wenn beispielsweise "die Unterhaltung stockt oder in unerwünschte Bahnen gerät". Die dazu nötigen Mittel in Form eines "Repertoires an Witzen, Anekdoten, Spielen und Kunststücken" liefert ihm Otto Straubs 1954 erschienenes Büchlein "Ich bin ein guter Gesellschafter". Bei dessen Lektüre überrascht zum einen die Entdeckung, mit welch liebenswert schlichten Mitteln (Geschicklichkeitsspiele mit Streichhölzern sowie Kartentricks) offensichtlich eine Partygesellschaft zur damaligen Zeit zu unterhalten war und zum anderen die Erkenntnis, daß eine Vielzahl heute noch zu hörender Witze bereits vor über 50 Jahren die Menschen amüsierte. Auch über Wohnverhältnisse und Einrichtungsstil der Nachkriegszeit geben die Ratgeber Aufschluß. So berücksichtigt "Für liebe Gäste und häusliche Feste", Eva Horns in den frühen 50ern erschienener "gesellschaftlicher Ratgeber" sowohl die Familie, "die das Glück hat, noch oder schon wieder eine richtige Wohnung zu besitzen, wie auch all jene, die noch nicht zu diesen Glücklichen zählen und in beengten räumlichen Verhältnissen leben müssen." Weiterhin wird um Verständnis für den Fall geworben, daß ein geladener Gast in einer nicht dem Anlaß entsprechenden Garderobe erscheint, denn "heutzutage wird selbst manch tüchtiger und wertvoller Mensch froh sein, wenn er das Mindestmaß an Kleidung besitzt, das er für den Tagesgebrauch benötigt". Und manchmal ruft ein lapidarer Nebensatz die Schrecken des zurückliegenden Krieges in das Bewußtsein zurück: "Ist der Tisch nicht groß genug, so wird er durch Ausziehen einer Platte vergrößert; die meisten der alten, großen Ausziehtische sind leider im Phosphorregen verbrannt...!"

 

 

                        


 


Einige Jahre später sieht es in vielen bundesdeutschen Wohnungen schon ganz anders aus. Zwar haben noch längst nicht alle Menschen Anteil am einsetzenden Wirtschaftswunder-Wohlstand, "Vorzeigefamilie Schmidt" gehört jedoch offensichtlich schon zum Kreise derer, denen es besser geht und damit zur Zielgruppe der von der EDEKA herausgegebenen Broschüre "Die schönsten Tage unseres Lebens", "ausgewählte Ratschläge für kluge Hausfrauen und solche, die es werden wollen".

 

 

Fünf weiße Türen gehen ab von dem mit einem roten Haargarnläufer ausgelegten Korridor der Schmidts. Das Wohnzimmer ist bereits komplett ausgestattet und "Oh, sogar ein modernes Rundfunkgerät mit Plattenspieler ist da!" Hingegen die "Küche: leidlich modern. hinten in der Ecke soll gewiß der Kühlschrank stehen, den Frau Schmidt sich im nächsten Jahr anschaffen will...". Das Heft ist ein Beispiel für die von vielen Firmen herausgegebenen Ratgeber, in welchen etliche Tipps darauf ausgerichtet sind, auch ein Produkt des jeweiligen Herstellers zu erwerben. "Liegt die Speisefolge für das Weihnachtsessen fest, beginnt mit dem Einkauf der schwierigste Teil der Vorbereitungen. Da heute überall EDEKA Kaufleute zu finden sind, ist diese Problem aber leicht zu lösen. Denn von ihrer Mutti weiß Ursula Schmidt, daß man dort gut und günstig einkauft...". Außerdem erfährt sie, wie man in der damaligen Zeit äußerst beliebte Getränke wie Waldmeisterbowle oder "Kalte Ente" zubereitet, letzteres ein mit Zitronenscheiben dekoriertes Gemisch aus Weißwein und Sekt, das auf wirklich keiner Party fehlen durfte.

Wie sich junge Menschen auf einer solchen Festivität zu verhalten haben, beschreibt Maxi Molls "Wenn ich wüßte, wie...". Ihr "Kleines Anstandsbuch für junge Mädchen" legt besonderen Wert auf richtige Umgangsformen beim Tanzen. "Mitsingen, Mitpfeifen, Kopfnicken im Takt und "Wange-an-Wange"-Tanzen ist allerschlechtester Stil. Wippen, Hüpfen, mit den Schulter zucken ist immerhin erlaubt, wenn es, wie bei einigen modernen südamerikanischen Tänzen, dazugehört. Ebenso beim Thema Jazz scheiden sich in den frühen 50ern offenbar die Geister. Wenn der Gastgeber eine seine mit Vorliebe gehörten "schrägen Jazzplatten auflegt, die uns nicht gefällt, werden wir diese nicht abfällig beurteilen, sondern vielleicht antworten: Die Virtuosität der Künstler ist wirklich zu bewundern. Man kann es schon verstehen, daß es viele Anhänger des Jazz gibt."

 

 

                              


 


 


Aber auch unter älteren Semestern erfreuen sich Benimm-Ratgeber äußerst großer Beliebtheit. Das liegt zum einen an einer gewissen allgemeinen Unsicherheit der Menschen in der Nachkriegszeit, die nirgendwo unangenehm auffallen wollten und zum anderen daran, daß viele durch den einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung in ihren beruflichen Positionen aufgestiegen waren und sich auf einem ihnen bisher unbekannten gesellschaftlichen Parkett bewegen mussten. Niemand möchte sich beim Essen mit dem Chef blamieren und folglich erreichen Bücher wie Gertrud Oheims "Einmaleins des guten Tons" aus der beliebten und wirklich jeden Lebensbereich abdeckenden "Praktische Ratgeber"- Serie von Bertelsmann recht schnell Auflagen in Millionenhöhe.

 

                       


 


Die meisten dieser Werke sind in einem "flotten Plauderton" verfasst und häufig gelingt es ihnen auch heute noch, den Leser zu amüsieren, manchmal beabsichtigt und bisweilen im Nachhinein unfreiwillig, wie z.B. in folgender Situation, die die Menschen vor fünf Jahrzehnten beschäftigt hat:

"In vielen Läden, z.B. Lebensmittelgeschäften, findet ein Herr heute selten Gelegenheit, seinen Hut nach dem Gruß beim Eintritt irgendwo abzulegen. Er kann ihn also, da man ja mit dem Hut in der Hand schlecht bezahlen kann, in solchen Fällen ruhig wieder aufsetzten und sich bei Verlassen des Ladens, vor allem, wenn er Pakete trägt, mit einem freundlichen Gruß und einem Kopfnicken oder einer leichten Verbeugung verabschieden."   

Als gegen Ende des Jahrzehntes durch die steigenden Einkommen immer mehr Menschen in der Lage sind, sich ein eigenes Auto zu leisten, schlägt sich dies ebenfalls auf dem Buchmarkt nieder. In unseren Tagen, in denen feuchtigkeitsmessende Sensoren selbsttätig Scheibenwischer in Gang setzten, fühlt man sich durch Ratgeber wie Helmut Dillenburgers "Das Praktische Autobuch" regelrecht in eine andere, weit zurückliegende Welt versetzt.

 

                    


 


Etliche Bauteile, über die heute nur noch in Oldtimer-Clubs gefachsimpelt werden, gehörten seinerzeit zum Alltag des Autofahrers. Daher läßt sich der Autor in einem eigenen, umfangreichen Kapitel über Sinn und Unsinn der schon damals in großer Bandbreite von der Zubehörindustrie angebotenen Accessoires aus. Als nützlich erachtet er beispielsweise einen Scheibenwascher, der durch Handbetrieb (gegen Aufpreis elektrisch) Wasser auf die Scheibe spritzt und "in Zusammenarbeit mit einem verläßlichen Scheibenwischer Straßenschmutz und die klebrigen Überbleibsel toter Mücken" beseitigt. Auch Rückfahrscheinwerfer und Lenkradschloß gehörten noch längst nicht bei allen Automodellen zur Grundausstattung. Ihre Anschaffung wird ebenso empfohlen wie die einer elektrischen Benzinuhr, einer "guten Ergänzung zum Reservehahn". Angenehm empfindet Dillenburger den "Autoquirl, einen Ventilator, der den im geschlossenen Wagen entstehenden Mief umtreibt und zudem das Beschlagen der Seitenscheiben verhindert". Als überflüssig eingestuft werden hingegen Weißwandreifen. "Sie sind teuer und schmutzempfindlich, ein billiger Wagen mit solch aufwändigem Zubehör wirkt nur komisch". Auch "Blumenvasen sind hübsch in einer Wohnstube, aber fehl am Platz im Auto" und "die Lenkradhülle gehört nur in die Autowerkstatt. Der "Herrenfahrer", der Sorge hat, sein Lenkrad zu beschmutzen, sollte sich hin und wieder die Hände waschen."

Ist der fahrbare Untersatz schließlich optimal ausgerüstet und möglichst Scheckheft-gepflegt ("es wird empfohlen, den Wagen alle 3000 - 5000 km in der Vertragswerkstatt vorzustellen"), steht einer Urlaubsreise in südliche Gefilde nichts mehr im Wege. Die "Reisewelle" rollt, beliebtestes Ziel ist zweifellos Italien. Damit man sich bereits vorab auf Land und Leute einstellen kann, hat die sich scheinbar in absolut jeder Lebenssituation auskennende "Vielschreiberin" Gertrud Oheim auch zu diesem Thema eine Menge nüzlicher Informationen parat: "Wer nach Italien fährt, muß sich auf einen ganz anderen Menschenschlag gefasst machen: lebhaft, temperamentvoll, laut, wortreich und voller Gesten und Gestikulationen, himmelhoch jauchzend eben noch, jetzt zu Tode betrübt...Es ist nicht richtig, den Italiener als faul zu bezeichnen...das süße Nichtstun, das den Betrachter oft seltsam anmutet, entspringt einfach seiner Wesensart, die sich am Augenblick begeistert und darüber vielleicht praktische Notwendigkeiten vergißt..." Ob er solche Ausführungen im Nachhinein als unfreiwillig komisch empfindet oder als bereits wieder einsetzende "typisch deutsche" Selbstüberschätzung erachtet, sei dem Leser selber überlassen. In jedem Fall zeigen sie auf, wie kurz der Weg sein kann zwischen dem brachliegendem Nationalbewußtsein in den Nachkriegsjahren und dem nun im Soge des Wirtschaftswunders rasch aufflammenden "Wir sind wieder wer"- Gefühles. Es wäre sicherlich interessant, einmal zu untersuchen, in wie weit Oheims durch Millionenauflagen weit verbreitete Schwadronaden ("Der Schwede taut erst abends auf. Dann allerdings ist er kreuzfidel") das Auslandsbild der Deutschen beeinflußt haben mögen. Schon allein aus diesem Grunde aber ist es für jeden historisch Interessierten ausgesprochen ergiebig, sich einmal näher mit Druckwerken dieser Gattung zu beschäftigen.

Immerhin findet Oheim aber auch Kritikpunkte in den eigenen Reihen, wenn sie moniert, daß viele Touristen sich "allzu großspurig benehmen und den Einheimischen mit großsprecherischer Kritik vor den Kopf stoßen. Daß solch peinliches Benehmen dem Ansehen des eigenen Landes nicht gerade zu nutzen gereicht, ist selbstverständlich...".

Neigt sich der Urlaub dem Ende zu, ist der Kauf eines entsprechenden Reiseandenkens ein Muß. Auch hierbei ist einiges zu beachten und die diesbezüglichen Anmerkungen der Autorin haben nach wie vor ihre Gültigkeit:

"Was für Greuel aber bringt man da oft vom Meeresstrand oder aus den Bergen heim...Wenn man nicht das Glück hat und solche Dinge einem Gleichgesinnten verehren kann, sind solche Geschmacklosigkeiten eine absolute Zumutung". So sind wohl viele der heute noch häufig auf Trödelmärkten anzutreffenden "schräggeschnittenen Birkenstammplatten mit Abziehbild, muschelbesetzten Kästchen oder Goldrandgläsern mit Enzianblüten" schon damals recht schnell in Kellern oder auf Dachböden verschwunden, wenn sie nicht sogar weiterverschenkt wurden. "Man kennt sie, diese Bumerangs unter den Geschenken, die wie der Fliegende Holländer durch die Meere ruhelos durch Verwandtschaft und Bekanntschaft irren, bis sie endlich jemand einmal fallen oder sonst irgendwie kaputtgehen läßt und ihnen damit Ruhe schenkt...".

Äußerst beliebte Reiseandenken waren und sind auch selbstgemachte Fotographien. Und da breite Schichten der Bevölkerung durch den Umgang mit einer Fotokamera technisches Neuland betraten, halfen ihnen selbstverständlich die entsprechenden Ratgeber. Besonders erfolgreich in diesem Genre war Alexander Spoerl, Sohn des "Feuerzangenbowle"-Autors Heinrich Spoerl und geistiger Vater des mittlerweile zum geflügelten Wort avancierten Ausspruchs "Erstens kommt es anders und Zweitens als man denkt". Erst ist Alexander Spoerl mit dem Auto, dann "mit der Kamera auf du", sein witzig-ironischer Schreibstil kommt bei den Lesern gut an. 

 


"In keinem Teil dieses Buches lernen Sie etwas. Ich habe das peinlich vermieden. Denn was man lernt, muß man auch behalten. Es belastet das Gehirn. Wenn Sie hinterher trotzdem mehr wissen sollten, - dann kommt es nur davon, daß Sie durch das Lesen alles ganz von selbst verstehen."

Auch einem in der heutigen Zeit im Aussterben befindlichen "Ritual" wird viel Platz eingeräumt: dem Briefeschreiben. Der "Universal Brief-Ratgeber" gibt unter anderem über die korrekte Anrede der Anzuschreibenden Auskunft. Und die lautet im Jahr 1958 gegenüber Ministern und hohen Staatsbeamten "Eure Exzellenz!", beim Rektor einer Universität "Eure Magnifizenz!" und so mancher "sonstige höhere Beamte" würde sich wahrscheinlich auch heute noch mit dem damals offenbar durchaus gebräuchlichen "Euer Hochwohlgeboren!" angemessen tituliert fühlen...Die Inhalte der Musterbriefe geben Auskunft über zeittypische Alltagsprobleme: "Sehr geehrter Herr Sekretär! Durch die Kriegsereignisse um Haus und Hof gekommen, wohne ich seit Jahren mit meiner Frau und drei minderjährigen Kindern in einem kleinen Dachraum und hoffe, ihre Hilfe bei der Erlangung einer Wohnung zu bekommen." Hilfestellungen ganz anderer Art bietet Paulrichard Hensels "Briefe an Dich", "Fingerzeige für die moderne Jugend, einen privaten Briefwechsel zu führen. "Nehmen wir an, Herr Harry Burg hat in einer Gesellschaft ein Fräulein Inge Lenz kennengelernt und denkt: Diese junge Dame scheint ein liebenswerter Mensch zu sein, man müßte ihr einmal schreiben." Hensels gutgemeinte Ratschläge wollen helfen, "Plumpheit zu vermeiden". "Daß sie hübsch ist, daß ihre dunklen Augen unvergeßlich sind, daß sie der Stern der Gesellschaft war - mein Gott, wieviele Männer werden ihr das schon gesagt haben! Das ist die Inge längst gewohnt...".

 

 

                        


 


Bemerkenswert ist der Buchumschlag, der das Foto einer Zigarette rauchenden jungen Frau abbildet, die eine für diese Zeit fast provokativ selbstbewußte Ausstrahlung besitzt und so aussieht, als würde sie gerade mit Jean Paul Sartre höchstpersönlich korrespondieren.

Lang ist die Liste weiterer Themenbereiche, auf die an dieser Stelle aus Platzgründen leider nicht in der ihnen gebührenden Ausführlichkeit eingegangen werden kann. So ersetzt das in einen Schutzumschlag mit lustig bunten Karikaturen gekleidete Werk "Der Hausjurist"

 

 


laut Vorwort in einfacheren Fällen sogar den Rechtsanwalt und wer "Die Frau als Hausärztin" griffbereit hat, sollte zumindest bei "einigermaßen harmlosen Erkrankungen" in der Lage sein, diese nach den Ratschlägen des Buches zu behandeln. Dr. H. Lottermoser gar offenbart in seinem "Lebensschlüssel" "die Kunst alt zu werden und jung zu bleiben". Sehr schön ist auch noch eine mehrbändige Reihe des "Schmitz-Verlag" München. "In ehrlichem Bemühen ohne den doppelten Boden falscher Moral Sinn und Unsinn der "Weltmacht Sex Appeal" sauber und klar zu zeigen, ist Aufgabe dieser Reihe", heißt es im recht umständlich formulierten Klappentext. Entgegen der effektheischenden äußeren Aufmachung, die als Herausgeber ein "Flensburger Versandhaus" vermuten lassen könnte, verbergen sich im Inneren recht sachliche und aussagekräftige zeittypische Abhandlungen zum Thema "Ehehygiene" oder wie im Fall "98 Lektionen der Liebe" mit ironischen Texten unterlegte Karikaturen, von denen einige auch heute noch durchaus Anlaß zum Schmunzeln geben. 

 

                      


 


Plausibel aufgebaut erscheint Karlheinz Wolfs Buch "Geheimnisse des Reichtums", "wie man zu Erfolg und Wohlstand kommt", worin er die Lebensgeschichten erfolgreicher Männer wie Max Grundig und Josef Neckermann schildert und daraus allgemeingültige Regeln ableitet, die dem aufmerksamen Leser ebenfalls zum Platz an der Sonne verhelfen sollen.

 

 


Dass er selber seinen eigenen Ratschlägen jedoch nicht so ganz zu trauen scheint, belegt das letzte Kapitel, in welchem er sich in aller Ausführlichkeit den Gewinnchancen bei Fußtoto, Zahlenlotto und Pferderennen widmet...

Als sehr unterhaltsam schließlich erweist sich auch die Lektüre eines reich bebilderten und 1969 vom "Kaufhof" herausgegebenen Buches mit dem Titel "schöner leben". Nicht nur "1000 gute Tips" in Schriftform geben darüber Aufschluss, in welchem Maße sich die Lebensgewohnheiten der Menschen in nur einem Jahrzehnt verändert haben, sondern auch viele aussagekräftige Fotos, insbesondere von einer futuristisch anmutenden Wohnlandschaft aus dem vom Kaufhof vertriebenen Möbelprogramm der Designer-Ikone Verner Panton.  

 Ratgeber in Buchform sind keine Erfindung neuerer Zeit, ihr Ursprung liegt bereits in der "Hausväterliteratur" des 16.Jahrhunderts begründet, welche die Hauswirtschaft ländlicher Prägung samt aller dazugehörigen Aufgabengebiete zum Thema hatte. Sie behandelte weiterhin "die Pflichtenlehre des Hausherrn, die sozialen Beziehungen zwischen Eheleuten, Eltern und Kindern, zwischen Herrschaft und Gesinde und betonte zugleich die führende Stellung des Hausherrn" (Quelle: Berliner Museum für Volkskunde). In Deutschland bekam das Ganze zusätzlich einen religiösen Akzent, den Anstoß gaben Martin Luthers "Predigten über den christlichen Hausstand", Verfasser dieser Bücher waren folglich überwiegend protestantische Pfarrer.

Im 18.Jahrhundert gewinnt dann zunehmend die Rolle der Frau an Bedeutung. Sie ist nun für die alleinige Führung des Haushalts verantwortlich, wodurch sich der Mann fortan gänzlich auf seinen beruflichen Werdegang konzentrieren kann, eine Rollenverteilung, an der sich lange Zeit wenig ändern soll.

Während Ratgeber-Bücher aus dieser Zeit rar und gesucht sind, kann man bei Druckwerken aus der Wirtschaftswunder-Ära aus dem Vollen schöpfen. Zumindest Vertreter der von bekannteren Verlagen in entsprechend hoher Stückzahl auf den Markt geworfenen Exemplare findet man für sehr wenig Geld auf nahezu jedem Trödelmarkt. Schwieriger gestaltet sich die Sache, wenn man eine Ausgabe mit intaktem Schutzumschlag finden möchte. Da letztere in der Regel jedoch sehr aussagekräftig im Stil der Zeit gestaltet wurden, lohnt sich eine etwas intensivere Suche allemal.

www.wirtschaftswundermuseum.de